Impact Revolution
“Wir wollen wir Menschen über die Plastikkrise und ihre Folgen informieren und durch Aufklärung rund um das Thema Plastik auch andere Menschen dazu inspirieren, sich für Lösungen einzusetzen.”
Mit Kunst gegen Kunststoffmüll: Die Münchner NGO Impact Revolution e.V. macht auf kreativen Wegen auf die Plastikkrise aufmerksam. Für ihr neuestes Projekt „Plastic Mountains“ haben die Aktivst*innen zu Fuß die Alpen überquert – mit kunstvollen Kostümen aus Plastikmüll. So wollen sie Politik und Gesellschaft dazu motivieren, ebenfalls Berge zu versetzen, um die Plastikkrise zu lösen. Im Interview verraten die Gründerinnen und Vorstandsvorsitzenden Clara Bütow und Clara Stoll sowie die beiden Pressesprecherinnen für Deutschland Florence Dejardin und Marlene Stoll, wie sie auf die Idee gekommen sind, Kunst und Umweltaktivismus zu verbinden, welche Resonanz sie auf die „Plastic Mountains“-Aktion bekommen haben und welche Ziele sie für die Zukunft verfolgen…
Wie seid ihr auf die Idee zu Eurem Projekt „Plastic Mountains“ gekommen?
Clara S.: Wir haben in den letzten Jahren schon mehrere Kampagnen durchgeführt, bei denen wir mit kreativen Mitteln auf das Thema Alltagsmüll und Plastikverschmutzung aufmerksam gemacht haben. Clara Bütow, eine unserer beiden Vorständinnen, hat z.B. 2018 einen selbstgebauten Flamingo aus Plastikmüll sechs Wochen quer durch Europa geradelt. Mit der Tour in Verbindung mit über 25 Events unterwegs konnte sie mehrere tausend Menschen mobilisieren. Aus dieser Aktion ist dann auch der Wunsch entstanden, einen gemeinnützigen Verein zu gründen und den Aktionen einen rechtssicheren Rahmen zu geben.
Letztes Jahr, im September 2020, haben wir für unser „Waste Reflects Society“ Projekt mit vielen Freiwilligen Abfall aus Münchner Parks und der Innenstadt gesammelt, sauber gemacht und auf alte Schaufensterpuppen montiert. Wir wollten auf humorvolle und aber auch eindrückliche Weise diese Art von Abfallproblem in der Stadt aufzuzeigen.
Unsere Aktionen haben immer sehr viel Spaß gemacht und wir haben so positives Feedback bekommen, dass auch unser bisher größtes Projekt „Plastic Mountains“ aus dem Wunsch heraus entstanden ist, Kunst und Umweltaktivismus zu verbinden. Wir haben einen Weg gesucht, auf positive Weise auf die ernste Thematik der Plastikkrise aufmerksam zu machen und vor allem zu zeigen, dass es sich um ein multidimensionales Problem handelt das ganzheitlich betrachtet werden muss. Hieraus hat sich dann die Idee zu einer Alpenüberquerung mit Kostümen aus Plastikmüll entwickelt, die als Rahmen dienen sollte für die Diskussion und Kommunikation von wissenschaftlichen Inhalten.
Wie genau lief die Aktion ab?
Marlene: Die Kampagne bestand aus der Tour selbst, die gute fünf Wochen gedauert hat und die wir als Staffellauf organisiert haben, und parallel dazu mehreren offline und online Events. Außerdem kommt natürlich immer die Vorbereitungszeit dazu: Wir haben über ein Dreiviertel Jahr in unserem Team von über 30 Aktivist*innen an dem Projekt gearbeitet. Kostüme wurden gebaut, Expert*innen zu Diskussionsrunden eingeladen, Sponsoren gesucht und Kollaborationen geschlossen.
Los ging es dann am Wochenende vom 10. und 11. Juli: mit einem Auftaktevent am Kulturstrand in München am Samstag, und dem Tourstart am Sonntag vom Marienplatz aus, wo wir morgens als Gruppe von über 20 Personen losgelaufen sind. Unsere vier Kostüme waren da bereits auf den Rucksäcken der ersten Wandergruppe montiert und wir sind in Begleitung von vielen Freiwilligen und mehreren Foto- und Pressemenschen zur ersten Tagesetappe nach Wolfratshausen gestartet. Das Wetter war am Anfang wirklich nicht auf unserer Seite. Aber obwohl es fast die gesamte erste Woche geregnet hat, ist die erste Gruppe aus Viktoria, Florence und Clara S. sicher in Innsbruck angekommen. Dort wurden dann die Kostüme an die nächste Etappengruppe, unter anderem mit mir – weitergegeben. An dem Abend haben wir vor Ort in Innsbruck noch einen Filmabend mit Diskussionsrunde organisiert zu Plastik im Alltag und sind am nächsten Morgen Richtung Pfunders weitergewandert. Von dort ging es über Alleghe und Belluno bis Venedig weiter.
Während der gesamten Zeit gab es – zusätzlich zu den Events auf der Route – immer donnerstags Online Vorträge und Diskussionpanels zu den jeweiligen Überthemen, die wir auf die fünf Etappen der Reise verteilt haben: „menschlicher Lebensstil“, „Gesundheit“, „Soziale Ungerechtigkeiten“, „Umwelt und Klimakrise“ und „Systemische Lösungen“. Über die fünf Wochen haben wir so die vielen und ganz unterschiedlichen Probleme, die durch Plastik entstehen, ganzheitlich beleuchten können. Und von den Vortragenden und Diskussionsteilnehmern neue Erkenntnisse und Lösungen aufgezeigt bekommen. Und zusätzlich haben natürlich Zeitungs-, Hörfunk- und Fernsehberichte und unsere Arbeit über Social Media zur Verbreitung und Diskussion dieser Themen beigetragen.
Welche Resonanz habt ihr bekommen?
Florence: Alle Menschen, die wir unterwegs und online getroffen haben bzw. die von uns gehört oder gelesen haben, reagierten 100% positiv, oftmals richtig begeistert. Man kommt wirklich ins Gespräch und kann sich detailliert austauschen, vor allem weil im Gegensatz zu Demos oder Petitionen mit diesen künstlerischen Aktionen eine sehr positive Stimmung entsteht. Dadurch trauen sich die Leute auch, uns anzusprechen. Wir haben den Eindruck, dass sehr viele Menschen sich aktuell über Umweltthemen Gedanken machen und auch darüber sprechen wollen, wie man die Probleme lösen kann. Dank größerer medialer Aufmerksamkeit wurden wir – die erste Wandergruppe aus Clara, Viktoria und mir – in Bad Tölz sogar zu lokalen Berühmtheiten und unter anderem von einer Gruppe Jugendlicher angesprochen: “Seid ihr die Plastikwanderer? Wir haben in der Schule schon über euch gesprochen. Cooles Projekt, viel Erfolg!” Der Gedanke, dass junge Leute über unser Projekt in der Klasse sprechen, war für uns persönlich sehr bewegend.
Die positive Resonanz motiviert dann auch zum Weiterwandern auf einer anstrengenden Etappe! Und natürlich auch jetzt im Nachgang des Projekts dazu, weitere Vorträge über Plastic Mountains zu halten um noch mehr Menschen zu erreichen.
Was möchtet ihr mit dem Projekt bewegen?
Clara B.: Wir möchten in erster Linie Aufmerksamkeit auf die Multidimensionalität der weltweiten Plastikkrise lenken. Das Plastikproblem ist zwar schon länger bekannt und wird in letzter Zeit auch vermehrt diskutiert, aber es passiert noch lange nicht genug dagegen! Unser Ziel ist es, für möglichst viele Menschen transparent zu machen, dass die massenhafte Plastikproduktion neben Umweltschäden auch soziale, gesundheitliche und wirtschaftliche Probleme zur Folge hat. Parallel zu unserer Alpenüberquerung haben wir jedem dieser Aspekte eine Woche gewidmet: dabei haben wir auf unseren sozialen Netzwerken Informationen zu den verschiedenen Themen geteilt, online-Paneldiskussionen mit interessanten Expert*innen auf den verschiedenen Gebieten veranstaltet und informative offline-Events organisiert.
Dabei konnten wir uns viel über mögliche Schritte hin zur Lösung der Plastikkrise austauschen. Diese sehen wir in den drei Bereichen Gesetzgebung, Innovation und Aufklärung. Aufklärung und Aktivismus ist der Bereich, in dem wir als NGO (außerhalb von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft) am meisten erreichen können. Zum Einen wollen wir also Menschen über die Plastikkrise und ihre Folgen informieren und durch Aufklärung rund um das Thema Plastik auch andere Menschen dazu inspirieren, sich für Lösungen einzusetzen.
Zum Anderen fordern wir mit unserem Projekt zu Veränderungen im System bezüglich Plastikproduktion, -verwendung und -export auf. Wir erwarten von Politik und Wirtschaft, sich an die Umsetzung bereits bestehender Lösungsansätze zu wagen, und an weiteren Innovationen proaktiv zu forschen und in sie zu investieren. Auf gesetzlicher Ebene schlagen wir zum Beispiel ein Verbot sämtlichen Mikroplastiks in Kosmetika, Reinigungsmitteln und Chemikalien vor, sowie die Ausweitung des EU-weiten Verbots von bestimmtem Einmal-Plastik auf weitere Artikel. Der Stopp von Kunststoffexporten wäre auch ein wichtiger Schritt; stattdessen sollte lokales Recycling gefördert und Anreize zur Reduzierung gesetzt werden. Man könnte hier noch mit einer längeren Aufzählung weiter machen, denn es gibt schon viele Ideen und Innovationen von Vorreiter*innen und Expert*innen. Die Kostüme aus Plastikmüll, mit denen wir die Plastikkrise buchstäblich vom Land über die Berge zum Meer tragen, sollen jedenfalls ein buntes Zeichen setzen und zeigen: we must move mountains to solve the plastic crisis!
Womit befasst sich euer Verein Impact Revolution?
Marlene: Unser Verein hat zwei Standbeine: eigene Aktionen und sogenannte Blueprints für Aktivist*innen. Zum Einen organisieren wir aktivistische Projekte, die sich um die Themen Klima und Umwelt drehen. Besonders dabei ist der kreative Aspekt: ob überdimensionale Trashmingo-Skulptur, mit Müll kostümierte Mannequin-Figuren oder mit Alltagsplastik dekorierte Wanderrucksäcke – all unsere Aktionen haben miteinander gemeinsam, dass sie auf künstlerische Art und Weise auf Umweltprobleme hinweisen. Neben der Planung der größeren Projekte sind wir auf lokaler Ebene aktiv, indem wir Cleanups veranstalten und an Klima-Demonstrationen teilnehmen. Außerdem nutzen wir laufend unsere Social Media-Kanäle zur Veröffentlichung und Weitergabe von Informationen rund um das Thema Umwelt.
Gleichzeitig machen wir es uns zur Aufgabe, Aktivismus-Blueprints zu erarbeiten. Das können Interviews mit inspirierenden Menschen sein, die selbst schon einiges erreicht haben. Oder auch Tipps dazu, wie man Frustration über Umweltprobleme überwinden und in positiven Aktivismus umwandeln kann. Impact Revolution ist eine relativ junge NGO und im Jahr 2018 aus einem One-Woman-Podcast entstanden. Deshalb wissen wir, dass es gar nicht so einfach ist, selbst aktiv zu werden und sich zu engagieren. Am Anfang ist da eine tolle Idee, doch schnell tun sich Fragen auf: Womit fange ich an? Wie baue ich mir ein Netzwerk auf? Gibt es rechtliche Aspekte, die ich beachten muss? Die Blueprints sollen anderen passionierten Aktivist*innen, die gerne etwas verändern wollen, als Orientierung dienen. Wir möchten ihnen Möglichkeiten aufzeigen, wie Aktivismus funktionieren kann und was dabei zu beachten ist.
Wie kann sich jede*r einzelne von uns engagieren?
Florence: Zunächst ist es für alle möglich, sich direkt an unseren Projekten zu beteiligen. Uns als Impact Revolution liegen Inklusion und Offenheit sehr am Herzen. Deshalb organisieren wir am liebsten partizipative Aktionen wie Cleanups oder auch unsere Plastikwanderung, zu denen wir alle Interessierten einladen, teilzunehmen. Außerdem kann jede*r das tun, was auch wir als eine unserer Hauptaufgaben betrachten: Aufklärung betreiben! Diese beginnt bei der Anregung von Diskussionen in der vertrauten Runde, reicht über das Weiterleiten wissenschaftlicher Beiträge im eigenen Umfeld bis hin zur Beteiligung an Petitionen, Demonstrationen und Aktionen im öffentlichen Raum. Außerdem können wir alle etwas verändern, indem wir eine Politik unterstützen, die sich für Nachhaltigkeit, soziale und ökologische Gerechtigkeit und für Toleranz einsetzt.
Welche weiteren Projekte und Aktionen sind in Zukunft geplant?
Clara S.: Im Moment sind wir dabei, aus Videomaterial von unserer Tour und den Panels einen Dokumentarfilm über Plastic Mountains entstehen zu lassen. Informative Kurzfilme können eine hohe Reichweite entwickeln und wir wollen möglichst viel Sichtbarkeit erreichen bzw. Aufmerksamkeit auf dieses wichtige Thema lenken. Der Film wird außerdem den Zuschauer*innen die Möglichkeit bieten, auch nach Ende des Projekts unsere Reise zu begleiten, uns als Team kennenzulernen und mehr über die weitreichenden Auswirkungen von Plastikproduktion, -export und -konsum zu erfahren.
Da die Produktion der Dokumentation gerade den Großteil unserer Kapazitäten in Anspruch nimmt, ist für die nähere Zukunft wieder Umweltaktivismus im “kleineren Rahmen” geplant. Wir werden weiterhin Cleanup-Aktionen organisieren – das ist an vielen Orten möglich, weil unser bunt-gemischtes Team über ganz Europa und auch darüber hinaus verstreut ist. Außerdem möchten wir uns in nächster Zeit noch mehr mit dem Aspekt der “Aktivismus-Blueprints” auseinandersetzen und das Konzept weiterentwickeln. Und wenn wir wieder Energie getankt haben und Kapazitäten für ein nächstes, größeres Projekt haben, dann wird es auch wieder größere Aktionen geben – wie alle unsere Projekte arbeiten wir getrieben von den Interessen, Ideen und dem zeitlichen Committment unserer freiwilligen Teammitglieder. Und bis dann steht es auch an, unsere Website und weitere Kanäle auszubauen, Vorträge zu halten und Inspiration zu sammeln. Dafür suchen wir im Übrigen auch immer begeisterte Mitstreiter*innen, die Lust haben in unserem Team mitzumachen!
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Fotos: © Impact Revolution, © Lia Bardehle
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